Bohl, J., W. Eirund, H. Röder: Der Aufgeteilte Geist

Reihe: Schriften zur Psychotherapie, Psychosomatik und ihren Grenzgebieten


Der ansprechend gestaltete Sammelband enthält drei Beiträge, die sich mit den Auswirkungen moderner medizinisch-psychiatrischer Nosologie auf das Menschenbild beschäftigen. In allen drei Beiträgen wird aus jeweils unterschiedlicher Perspektive reflektiert, wie durch den naturwissenschaftlichen Begriff des Psychischen der subjektiv-metaphysische und philosophisch-idealistische Aspekt des Seelischen immer mehr in den Hintergrund tritt. Dies hat Konsequenzen, welche dem eigentlichen Zweck des „Heilens“ letztlich im Wege zu stehen scheinen. - Im ersten Beitrag von Hannsknut Röder wird aus internistisch-psychotherapeutischer Sicht ein moderat tiefenpsychologischer Standpunkt vertreten. Der Autor thematisiert das Subjekt-Objekt-Dilemma und stellt den medizinischen Befunden den Begriff des subjektiven Befindens gegenüber. Die Bedeutung subjektiver Interpretationen und Erklärungen des eigenen Befindens werde erst durch die Wahrnehmung der jeweiligen patienteneigenen Lebenserfahrung verstehbar. Im ärztlichen Gespräch aber finde dies immer seltener eine Entsprechung, und das System der modernen „evidence-based-medicine“ lasse dafür kaum Raum. – An diesen Beitrag knüpft Wolfgang Eirund mit einer Darstellung aus eher psychiatrischer Sicht an, die am Beispiel des problematischen Begriffs der „Doppeldiagnose“ die philosophische Dimension, und darin den Begriff des „Seelischen“ reflektiert. Mittelpunkt dieses Beitrages ist die Frage nach dem Bestand eines universellen, ganzheitlich gemeinten Begriffs von der Seele in Anbetracht mechanistisch anmutender Krankheitsmodelle. Die beobachtende „Aufteilung“ seelischer Vorgänge wird dem gesunden Einheitserleben seelischer Existenz im Individuum gegenübergestellt. Anhand der notwendigen Grenzen naturwissenschaftlicher Erklärbarkeit und unter Bezugnahme auf wissenschaftsphilosophische Aspekte entwickelt der Autor dann ein Modell, welches die scheinbar unterschiedlichen Zugänge zum Seelischen auch im therapeutischen Alltag vereinbar wirken läßt. – Abschließend werden die naturwissenschaftlichen Denkmuster von Jürgen Bohl, einem Autor mit neurowissenschaftlichem Hintergrund, der spirituellen Dimension gegenübergestellt, wobei vorwiegend asiatische Vorstellungen bemüht werden. Der Autor referiert dafür umfassende Zitate aus dem Bereich asiatischer Spiritualität. Wem dies liegt, der findet hier eine unaufdringliche Abrundung des behandelten Themas. Die Arbeit wird mit einem umfangreichen Literaturverzeichnis abgeschlossen, was den anderen beiden Darstellungen leider fehlt. – Insgesamt sind alle drei Darstellungen gut verständlich geschrieben, so daß auch der philosophische oder therapeutische Laie die Positionen nachvollziehen kann, ohne sich überhöhten Ansprüche philosophischer Reflektion ausgeliefert zu fühlen. Vielmehr liest man den Beiträgen ihren Vortragsstil noch an, was aber auch im nett geschriebenen Vorwort der Herausgeber bereits angekündigt wird. Das Buch stellt die erste und in diesem Sinne gelungene Zusammenfassung einer jährlich in Bad Schwalbach stattfindenden Tagung dar, die dieses Jahr am 15. November ihre Fortsetzung unter dem Thema „Psychotherapie-Spiritualität-Religion“ fand. So kann man das Buch als das Ergebnis eines erfolgreichen, regional verankerten interdisziplinären Dialogs würdigen. Auch ohne die letztjährige Tagung besucht zu haben, bietet der Sammelband die Möglichkeit einer kurzweiligen Reflektion medizinischen oder auch technologisierten Denkens auf unaufgeregt gutem, auch philosophischem Niveau.


Dr. med. Steffen Haas, Wiesbaden

Um zurück zu den Büchern zu gelangen, schließen Sie bitte dieses Fenster.