Walter Flögel: Limburger Ansichten

Limburger Ansicht

(Vorwort)
Die poetischen Aufnahmen von Walter Flögel, die diesen Bildband auszeichnen, sind außergewöhnliche Fotos, die Limburg aus einer neuen Perspektive zeigen.

Aus der hier angewandten Technik der Panorama-Fotografie ergibt sich ein geweiteter Blick, der den Rahmen des Alltäglichen sprengt. Der Künstler veredelt diese Möglichkeit durch seine Liebe zum Detail. Selbst altvertraute, eigentlich abgenutzte Motive erscheinen aus seinem Blickwinkel in einem anderen Licht, im doppelten Wortsinn: Das Licht ist von entscheidender Bedeutung. Der Fotograf spielt gekonnt mit den unterschiedlichen Lichteffekten, um die grafischen Strukturen der Motive herauszuarbeiten.
Walter Flögel nimmt uns gleichsam mit auf einen meditativen Spaziergang durch die Stadt und zeigt sie in allen Facetten: vom fröhlichen Treiben in der sommerlichen Altstadt bis zur Friedhofsruhe im Winter. Er präsentiert sowohl die Gegensätze als auch die Harmonie von Natur und Architektur, häufig von Menschen belebt. Seine eindringlichen Aufnahmen ziehen den Betrachter förmlich an und beflügeln die Phantasie. Man verweilt lange bei einem Bild, setzt sich unwillkürlich damit auseinander; die Augen wandern von links nach rechts und wieder zurück.

Ähnlich funktioniert eine seiner Panorama-Kameras. Der Verschluß öffnet sich, das Objektiv mit festem Fokus setzt sich, ein Kreissegment nachzeichnend, von links nach rechts in Bewegung. Im Ablauf des Objektivs zeichnet die Kamera die Szenerie Stück für Stück nach, bis das Objektiv am rechten Anschlag hält. Der Verschluß schließt sich.
Professor Eckhard Kremers hat diese Wirkung im Katalog anläßlich einer Ausstellung Flögels in den Kunstsammlungen der Stadt Limburg 1999 treffend beschrieben: „Dieses Prinzip des abtastenden, schweifenden Blicks, der sich nicht auf eine Attraktion im Bild einlassen will, sondern die Suche immer wieder neu beginnen muss, wird zum ästhetischen Konzept in Walter Flögels Panoramabildern. Dieser suchende Blick erzeugt eine vibrierende Spannung, die die Bilder immer neu und unverbraucht hält, indem sie uns Betrachter dazu bringt, uns immer neu zu orientieren und auszurichten.“

Den Fotografen Walter Flögel, so Kremers, interessiert die Dokumentation der Situation, und es ist die Genauigkeit seiner Beobachtung und die brillante Durchzeichnung seiner Fotos, die uns die hinter den Oberflächen liegenden Ebenen des Bildes erahnen läßt.
Das Titelbild ist ein gutes Beispiel dafür, wie gekonnt Walter Flögel die technischen Möglichkeiten der Panorama-Kamera nutzt. Die Welt ist rund - Limburg und die Lahnbrücke sind es auch... Vorne das Wehr, hinten der Dom. Durch leichtes Kippen der Kamera werden die Linien, die am Rand verlaufen, gebrochen und verzerrt. Was sonst ein Mangel wäre, ergibt hier einen gesuchten Effekt.

Eine sehr eindrucksvolle Komposition ist Flögel aus einer anderen Perspektive der alten Lahnbrücke gelungen (Seite 4): Die Rundungen der Brückenbogen setzen sich immer weiter fort und laufen links in den Bäumen aus. Und wo läuft die Mutter mit ihrem Sohn hin? Der Betrachter folgt ihnen rechts auf dem Uferweg, schweift dann nach links über das Wasser zum Lahntor.

Die Auswahl der Bilder läßt keine Langeweile aufkommen. Romantischen Szenen, wie den jungen Schwänen auf der Lahn, folgen lustige Schnappschüsse, wenn zum Beispiel der Esel auf die Bank-Madonna schaut. Hier die auf einem angeschwemmten Ast thronende Möwe, da die Architektur des Domes oder der Gebäude. Im Schloßhof spaziert man die Treppen hinauf und herunter; erst wirkt es ein wenig gespenstisch, und plötzlich entsteht südländisches Flair. Das Kopfsteinpflaster, das durch Gegenlicht eine lebendige Struktur erhält, ist ein typisches Flögel-Motiv. Wer mag schon alles über diese Steine gegangen sein? Dazwischen immer wieder das Altstadt-Fachwerk in voller Pracht und interessanten Details.
Walter Flögel schlendert mit seinen Kameras seit vielen Jahren durch die Altstadt, an der Lahn entlang und zum Dom hinauf. Der Künstler weiß genau, wo zu welcher Tageszeit und bei welchem Wetter er am besten fotografiert. Er kennt alle Ecken und Winkel der Stadt und ist selbst überrascht, doch immer wieder etwas Neues zu entdecken.

So ergeht es auch dem Betrachter dieses Bildbandes. Von Mal zu Mal wird er Ungeanhntes und Ungewöhnliches wahrnehmen. Die Bilder werden sich ihm einprägen und ihn anregen, die alte und historisch bedeutsame Stadt an der Lahn mit anderen Augen zu sehen und neu zu entdecken.


Joachim Heidersdorf

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