Peter Jentzmik
(Hg.): "FASTI LIMPURGENSES. Das ist eine wohlbeschriebene Chronik |
Vor mehr als 650 Jahren, um das Jahr 1349, wütete die Pest in der Stadt. Ungeschoren kam kaum eine Familie davon: „ Und sturben zu Limpurg mehr dann 2400 Menschen/ außgenommen die Kinder ." In der Untergangsstimmung, die folgte, schoben sich die Geißler auf ihren weiten Zügen auch durch die engen Limburger Gassen und malten den Teufel an die Wand. Sie peitschten sich selbst die Rücken blutig und sangen: „ Nu schlagt Euch sehr/Zu Christi Ehr ." Das alles wissen wir aus erster Hand. Denn damals lebte Tilemann Elhen von Wolfhagen in der Stadt, ein Mann, der Theologie studiert hatte, die niederen Weihen besaß und es zum kaiserlichen Notar brachte. Als Akademiker war er schon damals etwas besonderes in Limburg. Berühmt ist der Namensgeber der Limburger Tilemannschule bis heute geblieben: als Verfasser der Limburger Chronik. Seine zeitgenössischen Schilderungen über das Leben und Sterben der Menschen im 14. Jahrhundert sind noch heute Pflichtlektüre für alle, die sich mit der Zeit zwischen 1300 und 1400 im deutschsprachigen Raum befassen. Wer Bücher mag, die schon von ihrer Form her dem Geist der Zeit nahe sind, aus dem sie atmen, der kann sich jetzt eine besondere Kostbarkeit ins Regal stellen. Der Limburger Glaukos-Verlag von Dr. Peter Jentzmik hat einen originalgetreuen Nachdruck der barocken Buchausgabe von 1720 herausgegeben. „Fasti Limpurgensis. Das ist: Eine wohlbeschriebene Chronik von der Stadt und den Herren zu Limburg auff der Lahn." - so lautet der genaue Titel. Der Einband wirkt wie aus Pergament und ist demjenigen nachempfunden, den die Wetzlarer Druckerei Winckler der Limburger Chronik vor knapp 300 Jahren gab. Denn der „Verleger aus Verlegenheit", wie Peter Jentzmik sich nennt, liebt es, schöne Bücher herauszugeben. Werke des Limburger Lyrikers Heinrich Debus finden sich ebenso im Verlagsprogramm wie eine Philosophiegeschichte in Versen von Emil Herrmann, dem Großvater Jentzmiks. Zuletzt erschien ein Band mit Schriften des renommierten Münchner Theologen Eugen Biser, sogar ein Hörbuch dieses bedeutenden Religionsphilosophen zum aktuellen Thema des Weltfriedens. Und dann sind da ja auch noch eigene Gedichte des Verlegers, verfasst im Geiste des Zen-Buddhismus in der Form japanischer Haiku. Wann immer Jentzmik ein Buch verlegt: Es zählt jedes Detail. So darf auf dem Titelblatt des Chronik-Nachdrucks der Prägestempel nicht fehlen. Alle Exemplare sind einzeln nummeriert. Das geht bis zur Nummer 500. „Mehr Exemplare werden nicht gedruckt. Es ist eine streng limitierte Liebhaberausgabe', sagt Peter Jentzmik. Wer eines dieser Faksimiles haben will, muss sich wohl sputen. Über Vorbestellungen hat der Glaukos-Verlag schon gut die Hälfte der Auflage verkauft. Die Nachfrage zeigt, dass Peter Jentzmik mit seiner Absicht richtig lag. „Eine textkritische Ausgabe für Wissenschaftler gibt es. Die Ausgabe mit Teilübersetzungen aus dem Frühneuhochdeutschen von Karl Reuss ist auch noch erhältlich. Ich wollte kulturell interessierten Laien ein gut lesbares, wirkliches Faksimile an die Hand geben." Gerade die Kulturgeschichte ist die Stärke des Tilemann, dessen Chronik 1336 beginnt und 1398 abbricht. Die meisten seiner Kollegen von damals kamen in ihren Chroniken über die Aufzählung von Katastrophen und Kriegen, Überschwemmungen und Schlachten nicht hinaus. Auch der Limburger Chronist berichtet von Lahn-Hochwassern und Bränden. Aber er beschreibt auch, wie reich die Stadt Limburg damals war, und was die Bürger damals trugen: wie tief das Dekollete der Frau und wie spitz der Schuh des Herrn damals war. „Er liefert uns sogar eine Art Hitparade. Da beschreibt er uns, was damals gesungen wurde. Zwar meist nur den Refrain. Aber die Chronik ist damit eine der seltenen Quellen für die Lyrik im 14. Jahrhundert", sagt Limburgs Stadtarchivar Heinz Maibach. In einem der Hits, die Tilemann kannte, heißt es ganz modern: „Die Sehnsucht will mich nicht verlassen/Nacht und Tag, zu keiner Zeit." Kein Wunder, dass Dichter wie Lessing, Herder und Brentario die Limburger Chronik schätzten. Zumal Tilemann von Wolfshagen kein gewöhnlicher Kopf war. Er zitiert aus der Bibel genauso sicher wie aus Aristoteles. Er konstatiert nicht nur, er kommentiert die Ereignisse - wenn auch zumeist auf dem Boden der herrschenden Orthodoxie, wenn es um Formen der Volksfrömmigkeit geht, zum Beispiel. Der Veitstanz der religiös Ausgeflippten etwa dient ihm als Beweis für das Wirken des Teufels. Und doch ging Tilemann mit erstaunlich offenen Augen durch das mittelalterliche Limburg. „Wenn man andere Chroniken kennt und liest, dann merkt man erst, wie gut eigentlich der Tilemann ist", sagt Stadtarchivar Heinz Maibach. Die erste gedruckte Ausgabe der Limburger Chronik erschien 1617 durch Joh. Frider. Faust in Aschaffenburg. Der Nachdruck des Glaukos-Verlages hat die zweite Druckausgabe von 1720 zur Vorlage. Damals besorgte die Wetzlarer Druckerei Winckler einen Nachdruck der Aschaffenburger Ausgabe. Für den jüngsten Nachruck des Glaukos-Verlags wurde der Text von späteren Zusätzen gereinigt. Mit Hilfe des Computers machte die Steedener Druckerei Klein die in die Jahre gekommene historische Vorlage zudem besser lesbar, ohne am eigentlichen Erscheinungsbild etwas zu ändern. Für den Nachdruck des Jahres 2003 gibt es einen besonderen Anlass: Der Glaukos-Verlag feiert sein zehnjähriges Bestehen. „Das Faksimile der Chronik ist auch als Referenz an Limburg gedacht", sagt Jentzmik. Das Buch ist für 26 Euro im Buchhandel erhältlich, ISBN 3-930428-18-0. Weitere Informationen unter www.GlaukosVerlag.sapereaude.de (wtü) (Nassauische Neue Presse 20.06.2003) |
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