Eugen Biser "Nur der Friede rettet die Welt"
Oberbergener Vorträge Vol. I - Originalaufnahme eines öffentliches Vortrags am 30.8.2002.
Doppel-CD - Gesamtspielzeit: 90:37 Minuten

Rezension im Internet (www.buchkritik.at)


Mit der Eindringlichkeit eines Zeitzeichens fordern die kriegerischen und terroristischen Ereignisse in der Welt eine Neubesinnung auf den Sinn des Friedens, zu dem es keine Alternative gibt und der deshalb in seiner Unbedingtheit erkannt und angestrebt werden muß. In den Massenmedien hingegen werden die Todesangst der Kämpfenden, die Qualen der Verletzten und Sterbenden, der Jammer der Überlebenden und Verwaisten und die sich in alledem vollziehende Erniedrigung und Brutalisierung des Menschen auf ein "erträgliches Maß" reduziert. So lastet auf der Friedenssuche ein mächtiger Leidensdruck, zu dem ein ebenso großer Sinndruck hinzukommt. Wer sich aber unter den Erfahrungssatz beugt, daß auf jeden Frieden noch immer ein neuer Krieg folgte, und deshalb die Sache des Friedens ins Reich der Hoffnungen und Ideale verweist oder mit Tolstojs bekanntem Buchtitel "Krieg und Frieden" sagt, hat den Frieden im Prinzip bereits an den Krieg verraten. Denn der Frieden ist nicht nur die größte aller Menschheitsutopien, die in diesem Zeitalter der sich Zug um Zug realisierenden Utopien mit aller Macht auf ihre Verwirklichung drängt, er gehört auch zu jener Spitzengruppe menschlicher Ideen, zu denen es wie zur Idee der Wahrheit, der Freiheit und des Guten keine Alternativen gibt und die deshalb alternativ- und bedingungslos gedacht und angestrebt werden müssen. 

Doch ist der Mensch, der so rasch zu Haß, Rache und Gewalt neigt, überhaupt friedensfähig? Wenn die zerstörten Häuser und verwüsteten Städte, wie oft behauptet wird, ein Spiegelbild seiner Seele sind, ist das sehr zu bezweifeln. Für seine Friedensunfähigkeit sprechen viele Gründe, ihr tiefster aber ist, wie sich gerade in diesem Zeitalter der grassierenden Ängste zeigt, die Angst. Denn die Angst lähmt und vereinsamt, so daß der von ihr Befallene den Kontakt zur Mitwelt verliert und sprach- und hilflos wird. In die Enge getrieben und in seinem Existenzrecht bedroht, wird der Geängstigte aber unberechenbar und aggressiv. Deshalb müßte die Angst überwunden werden, wenn der Mensch zum Frieden bewogen und befähigt werden soll. Gerade dies aber will das aus seiner Mitte begriffene Christentum. Wenn der christliche Glaube auch nicht jede Form der sich zusehends vervielfachenden Ängste beseitigt, so doch die drei Wurzelängste: die Angst vor Gott, die Angst vor dem Mitmenschen und die Angst des Menschen vor sich selbst. Dem "Evangelium des Friedens" verpflichtet, muß sich das Christentum in Anbetracht der Größenordnung einer solchen Aufgabe, Frieden zu stiften, um den Schulterschluß mit kooperationsbereiten Partnern bemühen. Als erstes bietet sich dafür der Buddhismus an, weil Buddha nach einem Wort Guardinis den staunenswerten Versuch unternahm, das Dasein aus den Angeln seiner gewalt- und leidvollen Verfassung zu heben und die Menschen auf den Weg der leidenschaftslosen Friedfertigkeit zu führen. Gleichzeitig steht das Christentum aber aufgrund seines Gottes- und Offenbarungsglaubens in einer besonderen Affinität zum Judentum und Islam. Gemeinsam stehen diese "Abrahamsreligionen" vor der Herausforderung durch einen ozeanisch um sich greifenden Atheismus, dem sie nur mit einer gemeinsamen Anstrengung und der Bündelung ihrer Kräfte begegnen können. Wenn es aber dazu kommen soll, bedarf es einer gemeinsamen Zielsetzung. Diese könnte gewiß nicht aktueller als das vom Zeitgeschehen geforderte Ziel des Weltfriedens sein. Dazu müßten sie ihre Anhänger bewegen, um allen vor Augen zu führen, daß sie, ungeachtet der Hypothek ihrer Geschichte, aus innerster Überzeugung und Entschlossenheit Boten des Friedens sind.

Eugen Biser

 

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